Glaubenssatz: eine Flaschenpost
Es ist ein wenig wie bei der Flaschenpost. Die Flasche ist nur der Behälter, in dem die Nachricht transportiert wird.
So dient beim Glaubenssatz der Satz als Behälter für einen Glauben, der transportiert wird.
Nun stellt sich natürlich die Frage, was die Worte Glauben und Satz denn überhaupt bedeuten.
Was ein Satz ist, dürfte soweit klar sein.
Wir Menschen denken mithilfe von Sätzen. Und wir schreiben mithilfe von Sätzen.
Hier steht ein Satz.
Und hier noch einer.
Doch wie sieht das mit dem Glauben aus?
Glauben: Religion vs. Mensch
Wir verwenden Glauben unter anderem synonym mit Religion:
- Fest im Glauben stehend
- Ich bin ein Gläubiger
- Mein Glauben verbietet mir das
- Ich halte mich an meinen Glauben
Was wir damit meinen, ist eigentlich das Festhalten an einer Religion, für die wir uns entschieden haben. Oder auch nicht, denn mit Sicherheit fühlen sich nicht alle Menschen an eine bestimmte Religion gebunden.
Was die 4 Stichpunkte oben aber vollkommen vermissen lassen, ist, dass sie mit Glauben nicht zwangsläufig etwas zu tun haben.
Denn es muss nicht der Glaube sein, der mir etwas verbietet, sondern viel wahrscheinlicher ist es die Religion.
Und an dieser Stelle wird das Problem der synonymen Verwendung von Religion und Glauben deutlich.
Wenn ich sage, ich tue es für meinen Glauben, aber ich glaube das gar nicht, sondern tue es für meine Religion, dann rede ich mir selbst ziemlichen Stuss ein.
Was bedeutet Glauben?
Das Wort Glaube verwende ich dann als etwas, das es nicht ist.
Denn Glaube ist etwas Subjektives, das ich für wahr halten kann oder eben nicht.
Das Wort Glauben steht in keiner Relation oder Verbindung zu Religion.
Die einzige Verbindung, die es zwischen Glauben und Religion gibt, ist, dass ich an eine Religion glauben kann.
Der wichtige Punkt ist also, zu verstehen, dass Glauben nichts Mystisches ist, sondern lediglich ein Konzept darstellt.
Es stellt das Konzept dar, zwischen Ursache und Wirkung eine Verbindung zu sehen und diese für wahr zu halten.
Glaube existiert also nur, weil wir Menschen nicht fähig sind, die Welt in ihrer Gesamtheit wahrzunehmen.
So sehen wir Ausschnitte der gesamten Wahrheit, die wir in Zusammenhang bringen und diesen Zusammenhang dann für wahr halten.
Somit muss Glaube nicht die Wahrheit sein. Er kann es aber.
Dann nennen wir es aber nicht mehr Glauben, sondern Wissen.
Der Unterschied zwischen Glauben und Wissen ist, dass Wissen allgemeingültig ist und Glauben auch nur für eine Person wahr sein kann.
Um vom Glauben zum Wissen zu kommen, nutzen wir unter anderem Wissenschaft.
Glaubensätze: das komplette Paket
Nachdem wir nun geklärt haben, was Glauben ist und was ein Satz ist, lasst uns das zusammenbringen.
Sätze sind unsere Behälter, mithilfe derer wir denken, schreiben und kommunizieren.
Glauben ist eine für zumindest uns als einzelne Person gültige Wahrheit.
Ein Glaubenssatz ist demnach eine für zumindest uns gültige Wahrheit, die wir denken und kommunizieren.
Die Macht der Glaubenssätze
Das Mächtige an Glaubenssätzen ist nun, dass wir uns ihrer Existenz nur selten bewusst sind.
Denn dafür benötigen wir die Demut zu wissen, dass wir eigentlich nur wenig wissen, aber viel glauben.
Dass unsere Wahrheit oftmals nur unsere eigene Wahrheit ist und nicht die Wahrheit anderer.
Und so schaufeln wir uns nicht selten unser eigenes Grab durch Glaubenssätze, die hinderlich sind, nur weil wir ihnen die absolute Macht der Wahrheit zuschreiben. Ohne, dass sie es verdienen.
Die Arbeit mit Glaubenssätzen
Glaubenssätze enttarnen
Als Faustregel gilt: Jeder Satz, in dem wir „ich glaube…“ sagen oder denken, ist ein Glaubenssatz.
Damit ist es keine Wahrheit und kann beliebig verändert werden.
Falls du gern verallgemeinernde Sprache wie das Wörtchen „man“ verwendest, kannst du dich fragen, ob du den Satz auch mit „ich glaube“ bilden könntest.
Stell dir die Frage: „Glaubst du es oder weißt du es?“ Jedes Mal, wenn du dann auf „ich glaube“ kommst, ist es ein Glaubenssatz.
Oft verstecken sich auch hinter Verhaltensweisen, die uns nicht guttun, aber wo wir aus unerklärlichen Gründen nicht anders verhalten können, Glaubenssätze.
Glaubenssätze: positive und negative – frei und limitierend
Wie so oft können wir bei einer Sache zwischen Positiv und Negativ unterscheiden. So auch bei Glaubenssätzen.
Die Interpretation, was positiv und was negativ ist, liegt dabei vollkommen bei uns selbst. Wir checken es mit unserem Empfinden ab und entscheiden danach, ob ein Glaubenssatz positiv ist – also sich gut anfühlt – oder uns nicht gefällt – also negativ ist.
Oft gebraucht wird auch der Terminus limitierender Glaubenssatz. Ein limitierender Glaubenssatz ist ein Denkkonstrukt, das uns Grenzen vorschreibt. Beispielsweise:
- Ich bin dafür nicht gut genug.
- Diese Fähigkeit ist anderen vorbehalten.
- Aufgrund meiner Vergangenheit kann ich das nicht.
- Ich werde niemals gut genug sein.
- Ich verdiene das nicht.
- Andere sind immer besser als ich.
- Besser als x geht es nicht.
- Ich kann das erst, wenn …
Die Beispiele sind alle allgemein gehalten. In unser aller Leben kommen sie in ganz konkreten Tatsachen:
- Mit Frauen/Männern war ich nie gut und werde es auch nicht sein.
- Steffen war schon immer besser als ich
- Ich werde es nie lernen, eine Website zu programmieren.
- Das Wetter ist hier immer schlecht.
Was auch immer – limitierende Glaubenssätze kommen in verschiedensten Formen und meistens im Rudel daher.
Dem gegenüber stehen positive oder freie Glaubenssätze. Diese lassen offene Grenzen und sind für unser Leben konstruktiv. Nicht selten kommen sie ohne Bedingungen daher:
- Ich werde jeden Tag besser.
- Heute bin ich glücklicher als vor einem Jahr.
- Ich bin der schönste Mensch, der ich sein kann.
- Dinge, die ich tue, gelingen mir so gut wie möglich.
Der entscheidende Unterschied zwischen negativen und positiven Glaubenssätzen ist also, dass die negativen uns selbst schlechtmachen und die positiven uns selbst ermuntern.
Wer das für Silbenspielerei oder Schönreden hält, hat weit gefehlt!
Die Wirkung von Glaubenssätzen
Auf eine einzige Situation bezogen mag er recht haben. Natürlich ändert sich an der Tatsache nichts, nur weil ich sie anders beschreibe.
Aber auf viele Situationen gesehen, ändert sich dadurch einiges.
Denn schon allein durch das positive Formulieren ändert sich unser Neuro-Feedback. Voraussetzung ist natürlich, dass wir an die positive Formulierung glauben.
Mit anderen Worten: Wenn wir uns selbst Mut zusprechen, anstatt uns zu verurteilen, füttern wir uns mit Glückshormonen anstatt mit Stress-Hormonen.
Die Hormone sind für uns wie Zuckerbrot und Peitsche. Und wenn ich mir statt der Peitsche das Zuckerbrot gebe, bin ich beim nächsten Mal motivierter, besser zu sein, um mir noch mehr vom Zuckerbrot geben zu können.
So entsteht ein fataler Unterschied zwischen einem Menschen, der sich durch seine Glaubenssätze andauernd peitscht und einem Menschen, der sich für seine Versuche zu lernen, belohnt.
Abseits von diesem ganzen Hokus-Pokus, der um das Thema Glaubenssätze schwirrt, ist dieser Punkt ein unwiderlegbarer.
Was Glaubenssatz-Arbeit nicht kann
Es geht in der Glaubenssatzarbeit nicht darum, die Realität zu verleugnen.
Es geht nicht darum, von Luft und Liebe leben zu können und dir deine Faulheit schön zu reden.
Die Gefahr der Glaubenssätze besteht auch darin, dass mit dem Verkommen unseres persönlichen Wissens zu Glauben viele Eckpfeiler wegfallen, an denen wir uns sonst festhalten.
Damit kann es passieren, dass manche Menschen absolut freidrehen und an den verrücktesten Quatsch glauben.
Mir scheint, als verbinden viele Menschen, die sich mit dem Thema nicht beschäftigt haben, diese Scharlatanerie mit Glaubenssätzen. Und das finde ich schade.
Denn das Potenzial der Glaubenssatzarbeit besteht lediglich darin, wieder geordnete Verhältnisse zu schaffen. Uns unsere Vergangenheit, die wir für unumstößlich und in Stein gemeißelte Wahrheit halten, wieder zu dem zu machen, was sie ist:
Eine mögliche Geschichte von vielen, die wir uns erzählen.
Irgendwann war diese Geschichte die beste Lösung für ein Problem, das wir hatten.
Und wir entschieden uns dafür, diese Geschichte zu glauben.
Heute kann uns diese Geschichte Probleme bereiten und es gibt vielleicht gar keinen Grund mehr, die Geschichte zu glauben.
Doch erzählen wir sie uns schon mehrere Jahrzehnte und wissen überhaupt nicht mehr, dass es nicht DIE eine Wahrheit ist.
Wozu Glaubenssatz-Arbeit niemals verwendet werden sollte
Um Realitäten zu verändern.
Dein Körper hat zwei Beine. Das wird sich auch nicht ändern, wenn du noch so oft versuchst dir einzureden, dass du ab jetzt 4 Beine hast.
Es kann vorkommen, dass du versuchst, deine Glaubenssätze zu ändern und nichts ändert sich.
Das erzeugt in dir Stress: „Es muss sich doch etwas verändern. Was mache ich falsch?“
Dadurch erzeugst du unnötigen Druck, denn du nimmst dich nicht mehr an, so wie du bist.
Wenn du einen Prozess durchlebst, gehört Zeit als Realität dazu.
Die kannst du mit keiner Glaubenssatzarbeit wegdiskutieren. Sei dir also auch dieser Anwendungsgrenze bewusst.
Dann sind Glaubenssätze und die Arbeit mit ihnen ein mächtiges Werkzeug.
Glaubenssätze: Abschließend
Du hast hier das Wissen rund um Glaubenssätze und Hintergründe über die Arbeit mit ihnen gelernt.
In diesem Artikel habe ich dir keinen Prozess gezeigt. Es gibt viele verschiedene, die alle funktionieren. Ich bin mir nicht mal so sicher, ob ein Prozess immer notwendig ist.
Als viel wichtiger erachte ich das Verständnis, was ein Glaubenssatz ist.
Denn allein das Verständnis, dass es keine absolute Wahrheit ist, sondern eine von dir und deinen Erinnerungen konstruierte mögliche Wahrheit, hilft, ihre Allmachtstellung zu bekämpfen.
Einen Prozess ohne dieses Wissen durchzuführen, halte ich für Schwachsinn, da du keine Wahrnehmung entwickelt hast, wo Glaubenssätze überall auftreten.
Entwickle also ein Gefühl, wo sich Glaubenssätze überall verstecken.
Titelfoto von Nick Karvounis