Warum Wissenschaft nicht objektiv ist

In aller Kürze:
Objektive Wissenschaft?! Vielleicht oberflächlich. Irgendwann fiel mir auf, wie abhängig Wissenschaft vom Menschen ist.
Christian
aktualisiert: 07.01.2023
erschienen: 19.09.2016
Inhaltsverzeichnis

Eben habe ich einen Artikel über Pro und Contra von Kinder-Impfungen gelesen. Natürlich bezog der Autor Stellung für eine Seite - in diesem Fall für Pro Kinder-Impfungen. Zur Untermauerung verwendete er ein Zitat eines Astrophysikers: “Das gute an Wissenschaft ist, dass sie wahr ist - gleich ob wir daran glauben oder nicht.” Dieser Satz hat mich auf eine Geisteswanderung gebracht, die folgendermaßen anfing:

Eigentlich ist dieser Satz gar nicht so wahr, wie er aussieht. Der Satz sollte viel eher heißen:

“Die Wissenschaft macht wahr, was wir glauben.”

Wie sollte es auch anders sein? Ein Forscher (was ein beliebiger Mensch jeglichen Alters, Bildungsgrades … sein kann) benötigt zunächst eine Idee, wo er einen Zusammenhang erforschen möchte. Er muss also zunächst glauben, dass es zwischen x und y einen Zusammenhang gibt.

Wahllos könnte er auch einen Zusammenhang zwischen y und z vermuten, nach diesem forschen und auf ein Ergebnis kommen.

Wenn dem so ist, dann ist doch viel interessanter, warum der Forscher einst glaubte, einen Zusammenhang zwischen x und y zu vermuten.

Und schon haben wir die alltäglich begangenen Pfade des Denkens und sozialen Lebens verlassen und uns auf eine “gefährliche” Reise des eigenen Denkens begeben, ohne von der Gesellschaft oder anderen Menschen ein unterstützendes “Ja, das ist richtig, weil wir alle es auch so sehen.” zu erhalten. Uuuuuh, wie das kribbelt! 🙂

Zurück zum Zusammenhang zwischen x und y.

Indem wir das herausgefundene Ergebnis (den Zusammenhang zwischen x und y) kritisch betrachten, hinterfragen wir die Motivation des Forschers für seine Arbeit und das abschließende Ergebnis.

Die sonst so neutrale Wissenschaft erhält ab hier einen eigenartigen Schein von Subjektivität und scheinheiliger Aussagekraft.

Wissenschaft ist toll!

Zum Glück haben wir sie, denn sie hat uns vieles ermöglicht. Nur … sind wir vielleicht zu treudoof mit ihr umgegangen, indem wir ihr eine scheinbare Objektivität unterstellt haben, sodass wir vergessen haben, zu bemerken, dass die logische “Schwäche” der Wissenschaft immer noch der Mensch ist?

Schwäche aus diesem Grund, weil noch kein Mensch samt seinen gesamten Erfahrungen erfasst wurde, sodass in jeder beliebigen Situation sein Handeln mit 100 prozentiger Sicherheit vorausgesagt werden kann.

Diese Betrachtung ist aus folgendem Grund von unabdingbarer Wichtigkeit:

Forscher Hans ist ein absoluter Überflieger. Schon sein Vater, wenn er ihn denn einmal zu Gesicht bekam, hat ihm beigebracht, dass Selbstdisziplin und auferlegte Pflichten ihm zu Ruhm verhelfen. Hans hat sich das sehr angenommen.

Nachdem er im Gymnasium eine Klasse übersprang, sein Studium exzellent durchexerzierte und in einer Rekordzeit von 1,5 Jahren seine Doktorarbeit mit summa cum laude und einer nationalen Auszeichnung beendete, begann er, dank seines außerordentlichen Rufes, für ein bekanntes Managermagazin zu schreiben.

Sein Forschungsgebiet war - wie sein Leben schon vermuten lässt - die Leistung eines Menschen in der Berufswelt. Hans fand mit seinem Team, das stets nach ihm auf die Arbeit kam und vor ihm von hiesiger ging, zahlreiche neue Hinweise, die bezeugen, dass ein Mensch, der pflichtbewusst arbeitet, mehr leistet.

Forscherin Gabrielle hingegen, die schon ihr ganzes Leben gern malte, zog es nach 3 Schulwechseln durch arbeitsbedingte Umzüge ihrer Eltern zunächst in eine Ausbildung, die sie abbrach.

Nachdem sie in ihrem freiwilligen sozialen Jahr die Nähe zu Menschen in einem Kindergarten zu schätzen lernte, begann sie sich zu fragen, was denn ihre Kinder so überquellend vor Lebensfreude macht. Und warum ist das bei manchen Kindern mehr ausgeprägt als bei anderen?

So fand auch sie über Umwege ihren Weg zu einem Studium, das sie, unterbrochen von mehreren Auslandsaufenthalten und sozialem Engagement in der dritten Welt, nach 7 Jahren sehr gut beendete.

Ihr Interesse für die Lebensfreude und ihre akribische Arbeit bescherten ihr nach weiteren 5 Jahren ihren Doktortitel mit magna cum laude. Seitdem bloggt Gabrielle regelmäßig für ein bekanntes Familienmagazin im Internet.

Klingt ja beides ganz nett, oder?!

OK, dann jetzt zu Part 2:

Hans hatte noch nie eine Frau länger als 2 Jahre. Und diese Beziehung ist bereits 14 Jahre her.

Allgemein lebt Hans lieber allein, da ihn so nichts von seiner Produktivität abbringt. Sein Zuhause ist ordentlich durchstrukturiert und von der Putzfrau bis zur regelmäßigen Anlieferung der Lebensmittel ist alles effizient geplant.

Zwar plagt Hans manchmal ein Gefühl der Leere und den Fragen: “Wer bin ich eigentlich? … und was tue ich hier? … hat das alles überhaupt noch einen Sinn?”, doch dagegen hat er ein einfaches Mittel: er ist Whiskey-Liebhaber und sein Arsenal bietet für jede tiefsinnige Frage ein entsprechendes Gegenmittel.

So kann er sich, in Gedanken an die Herkunft des Whiskeys aalend, wunderbar betäuben, bis er vor Duselei einnickt. Das geschieht manchmal noch in seinem “Whiskey-Sessel”, doch ins Bett schafft er es immer, ohne, dass wieder hinderliche Gedanken aufkommen.

Früh ist sein Trick, einen Plan zu haben, der vom Klingeln des Weckers bis zum Öffnen des Büros jede Sekunde genau einteilt. Mit dieser Taktik hält er sich schon seit 10 Jahren über Wasser. Allgemein ist Planen seit seiner Schulzeit sein heiliger Gral. Ab und zu noch das ein oder andere Auto, ein Urlaub und die Sache ist geritzt.

Zwar verwundert ihn, dass ihn seine Gedanken mittlerweile sogar auf Arbeit heimsuchen, aber er ist der festen Überzeugung, er müsse nur seine selbst auferlegten Pflichten erfüllen. Und da er sowieso schon wieder ein wenig hinter seinem Plan ist, wird es Zeit, seine neuste Vermutung zu bestätigen, die ihn noch leistungsfähiger macht.

Hierzu arbeitet er gerade an der Ausarbeitung der wissenschaftlichen Studie, die nach Veröffentlichung für alle zugänglich abgedruckt werden wird, sodass auch andere vom höheren Leistungspotenzial profitieren können.

Gabrielle hingegen lebt in einer liebevollen Partnerschaft. Natürlich hakt es auch in ihrer Beziehung das eine oder andere Mal, doch kennt sie einen einfachen Trick: miteinander reden.

Das war nicht immer so. Als Kind hat Gabrielle nie wirklich Anhang an ihre Schulklasse gefunden und auch was die Umzüge anging, hatte sie nie Mitspracherecht. Sie lernte still zu sein und aus den Möglichkeiten das Beste zu machen.

Dass das für sie oft hieß, mit der Situation den Bach hinunter zu gehen, lernte sie erst mit zunehmendem Alter. Und als sie auf Anraten eines Freundes das FSJ im Kindergarten machte, erfuhr sie gefühlt zum ersten Mal, dass Leben auch Spaß machen kann.

Der Ausdruck an Lebensfreude der Kinder überrollte ihre Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber wie eine Dampfwalze eine Sandburg. Und so entstand in ihr der Wunsch, mehr über dieses “Wunder” zu erfahren.

Dadurch fing ihr Studium an, bei dem sie sich immer vor Augen hielt, warum sie lernte und sich regelmäßig Auszeiten nahm, um andere Kulturen kennen zu lernen:

“Wie war die Lebensfreude hier? Was machen diese Menschen anders? Was kann ich über das Leben hier neues lernen?” waren Fragen, die Gabrielle stets begleiteten und an ihrer Universität Professoren zunehmend verdutzen ließen oder verwunderten. Auch jetzt noch, wenn Umbrüche in Gabrielles Leben stattfinden - ihr erstes Kind verließ vor kurzem das Haus - genießt sie diese neuen Erfahrungen und lernt von Menschen, die diese Erfahrung bereits gemacht haben.

Mit diesen vielfältigen Eindrücken konnte sich Gabrielle sogar ihren Doktortitel sichern und schreibt nun - für fachfremde Familien ihre Erfahrungen, wissenschaftlich begründet und verallgemeinert, wider.

In Teil 2 haben wir nun den nicht-beruflichen Teil der beiden erfahren. Das “Warum” hinter dem “Was”.

Doch ahnt der ein oder andere wirklich schon, auf was ich hinaus möchte?

Richtig oder falsch zu benennen ist mir an dieser Stelle fremd. Klar sollte geworden sein, dass die beiden auf völlig unterschiedlichen Werten basieren. Sie leben in unterschiedlichen Welten. Und lese ich (oder du, liebe Leserin) nun eine Studie dieser beiden, möchte ich die Wichtigkeit aufzeigen, diesen Hintergrund zu kennen.

Als Mensch, der das Leben genießen will, bringt es mir auf Dauer nichts, Hans Tipps zu befolgen. Mögen sie wissenschaftlich bewiesen sein, wie sie wollen. Für Gabrielle gilt das gleiche, wenn ich in meinem Leben gerade “Volle Power bis zum Burn-Out” als Reiseziel eingestellt habe.

Der aufmerksame Leser merkt spätestens hier, dass ich von Hans’ Lebensweise nicht sonderlich viel halte. Doch ist das meine persönliche Meinung, die ich aufgrund von Erfahrungen gemacht habe. Ich habe sozusagen für mich wissenschaftlich die Zusammenhänge von Leistungsdruck und Lebensfreude analysiert und bin zu meinem Ergebnis gekommen.

Meine Fragen an dich, lieber Leser, sind jetzt Folgende:

Was ist, wenn du das gleiche mit Leistungsdruck und Lebensfreude machen würdest? Wenn du analysiertest, wie sich diese beiden Sachen für dich verhalten.

Und was wäre, wenn deine Einschätzung vollkommen anders wäre als meine?

In wieweit würdest du die von mir dargebotenen Informationen bezüglich Leistungsdruck und Lebensfreude für dich als relevant erachten können?

Und welche Informationen aus diesem Text könntest du ungeachtet meiner oder deiner Meinung trotzdem für dich verwerten? Was ist, auf einer philosophischen Ebene, nach diesem Text unantastbar, weil es über der Meinung steht?

Und als letztes: Warum liegt hier Stroh?

Dieser Artikel soll dich aufmerksam machen auf Verallgemeinerungen.

Nur, weil etwas wissenschaftlich bewiesen ist, muss es sich nicht mit deiner Meinung decken. Und nur weil du die gleiche Meinung hast wie eine wissenschaftliche Studie, musst du nicht richtig liegen.

Warum das wichtig ist?

Eine Studie erforscht den Zusammenhang, ob die Gesundheit von Menschen besser geworden ist, seit sie ihre Wohnung mit Raufasertapete tapeziert haben.

Ergebnisse der Studie: bei 70% gab es eine Verbesserung, bei 30% nicht.

Fängst du jetzt an, deine Wohnung mit Raufasertapete zu tapezieren, weil du deswegen zu 70% gesünder wirst?

Ist deine Antwort ja, würde die Folge-Studie ein Jahr später folgendermaßen aussehen:

Ergebnis: bei 100% gab es eine Verbesserung

Warum?

Du hast dich soeben gleichgeschaltet! (eigentlich geankert: deinen Wunsch nach Gesundheit vom bloßen Gedanken mit der Tapete verbunden und ihn somit “materialisiert” - in deiner Wirklichkeit erlebbar gemacht).

In deinem Kopf passierte so ungefähr folgendes: Ich werde zu 70% gesünder … 70% ist mehr als die Hälfte, also gehe ich davon aus, dass es 100% sind. Sollte es nicht funktionieren, kann ich es ja immer noch lassen. Da du aber auf die Studie gekommen bist, weil du nach “Auf Gesundheit achten” gesucht hast, wirst du jetzt 1. bei der Raufasertapete jedes mal an deine Gesundheit denken und 2. sowieso daran interessiert sein, deinen Gesundheitszustand zu verbessern.

Somit ist aus einem wahllosen Zusammenhang (du könntest durchaus der Typ sein, der gegen Raufasertapete allergisch ist und es nur noch nicht weiß) eine selbsterfüllende Prophezeiung geworden, die sich von nun an Generation für Generation weitergibt und deine Gesundheit an das Vorhandensein von Raufasertapete knüpft. Früher war sie einfach so - frei - vorhanden. Heute brauchst du zwingend Raufasertapete, um gesund zu sein.

Wenn du jetzt 1. nachvollziehen kannst, dass auch angeblich “objektive” Studien nicht objektiv sein können und 2. dich fragst, nach was du dich dann orientieren kannst, habe ich mein Ziel für diesen Artikel erreicht.

Und nun fang an, deine eigene Forschung über die Welt anzustellen. Was ist dir wichtig? Was möchtest du gern erfahren? … und was gern wissen? Und vielleicht findest du sogar Studien, die das belegen 🙂

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